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Datum: 14.05.2020

Interview mit Landrat Dr. Wolfgang Buschmann zur Corona-Krise

Landrat Dr. Wolfgang Buschmann

Landrat Dr. Wolfgang 
Buschmann

Herr Dr. Buschmann, wie sieht Ihr Arbeitsalltag derzeit aus?

Mit einem Wort: Anders. Wo früher der persönliche Kontakt gefragt war, sind es jetzt Video- oder Telefonkonferenzen, die meinen Alltag prägen. Virtuelle Besprechungen mit der Landesregierung, den Landräten Schleswig-Holsteins, mit meinem Verwaltungs- und Leitungsstab oder den Gemeinden finden häufig, wenn nicht sogar täglich, statt.

Für uns als Kreis ist es weiterhin wichtig „vor der Lage zu bleiben“ und nicht von der Entwicklung überrollt zu werden. Das gelingt uns gut, trotzdem gilt es täglich neue Herausforderungen zu meistern. Als Landrat verschwimmen im Normalbetrieb schon die Grenzen zwischen Privatem und Dienstlichem, in Corona-Zeiten gibt es für mich und für viele meiner Mitarbeiterinnen undMitarbeiter keinen regulären „Feierabend“ mehr. Die Eindämmung der Corona- Krise und damit die Gesundheit aller Bürgerinnen und Bürger des Kreises hat – vor allen anderen Aufgaben des Kreises – Vorrang.

Die Kreisverwaltung ist in vielen Teilen noch geschlossen. Wie geht es weiter?

Neben der bestehenden Öffnung der Zulassungsstellen sind seit dem 4. Mai auch wieder persönliche Beratungen durch andere Fachdienste möglich. Wir haben dafür ein spezielles Hygienekonzept entwickelt. Alle Besucher müssen bereits jetzt und auch zukünftig eine Mund-Nasen-Maske im Kreishaus und allenAußenstellen tragen, um das Infektionsrisiko einzudämmen.

Unser Ziel ist es, sobald wie möglich, alle Dienstleistungen des Kreises wieder in gewohnter Weise und mit einem komplett geöffneten Haus anzubieten. Wann das sein wird, kann ich derzeit noch nicht sagen. Bis dahin bitte ich alle Bürgerinnen und Bürger um Verständnis dafür, dass es derzeit zu Wartezeiten aufgrund der notwendigen Einhaltungen der Hygienebestimmungen kommt. Wenn sich der positive Trend hinsichtlich der rückläufigen Infektionszahlen fortsetzt, können wir Schritt für Schritt die Kreisverwaltung insgesamt wieder öffnen.

Wie sehen Sie in diesem Zusammenhang die ab dem 18.05. angekündigten Lockerungen des Landes?

Es gibt unterschiedliche Meinungen in Bezug auf die angekündigten Lockerungen des Landes. Bisher haben sich fast alle Bürgerinnen und Bürger diszipliniert gezeigt, Einschränkungen nahezu klaglos hingenommen und damit bei der Eindämmung des Corona-Virus einen maßgeblichen Beitrag geleistet. Auch nach Rückmeldung der Polizeidirektion haben sich alle bis auf wenige Ausnahmen an die Kontaktbeschränkungen gehalten. Dafür erst einmal meinen herzlichen Dank.

Durch die angekündigte Lockerung wissen viele nicht, was erlaubt ist und mit welcher Handhabung die Einhaltung der weiterhin bestehenden Beschränkungen erfüllt werden kann und soll. Das zeichnet sich insbesondere für die durch die Zulassung des Tagestourismus veränderten Rahmenbedingungen ab. Unser Bürgertelefon-Service registriert vermehrt Anrufe von Bürgerinnen und Bürgern, die die neuen Regelungen nicht verstehen und Angst haben, Fehler zu machen.

Einen großen Fehler machen nach meiner Meinung jedenfalls die Menschen, die die aktuelle Situation verharmlosen und unterschätzen. Gerade jetzt kommt es auf die Einhaltung der Hygienemaßnahmen, dem Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes und auf die Disziplin jedes Einzelnen an, egal ob Besucher oder Kreisbewohner. Nur so können wir weiterhin die Krise im Griff behalten. Wir sind noch lange nicht am Ende der Pandemie!

Ist unser Gesundheitsamt für einen exponentiellen Anstieg der Infektionen gewappnet?

Unser Gesundheitsamt leistet Großartiges. Bislang hat unser Gesundheitsamt dank der hoch motivierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Corona-Lage gut im Griff. Wir haben bislang zügig die Infektionsketten identifiziert und dadurch die Kontaktpersonen unter Quarantäne stellen können. Dies ist unsere wichtigste Aufgabe, um eine Ausbreitung einzudämmen. Für die nächste Phase müssen wiruns aber neu aufstellen.

Wir brauchen rund 50 neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für das Gesundheitsamt in Schleswig, um einen „Normalbetrieb“ und die von Bund und Land vorgegebene Infektionserkundung und -verfolgung gewährleisten zu können, sei es für den Telefondienst oder um Daten zu erfassen. Ergänzend dazu haben wir auch Bedarf an medizinischem Fachpersonal, Ärzte oder Medizinstudenten.

Bei Interesse können Interessierte eine Bewerbung an den Kreis, Team Arbeitsmarkt, z. Hd. Andreas Schwarz, Lollfuß 69 in Schleswig schicken. Telefonische Rückfragen sind unter 04621 9779-1923 möglich. Die Personalauswahl erfolgt dann durch das Gesundheitsamt.

Wir freuen uns über jede qualifizierte Bewerbung.

Das heißt, das Gesundheitsamt stößt mit seinen Kapazitäten an seine Grenzen?

In der Tat. Wir müssen täglich den Kontakt zu allen Verdachtspersonen herstellen. Das wird sich ohne zusätzliche Kapazitäten auf Dauer nicht aufrechterhalten lassen, vor allem dann, wenn das Infektionsgeschehen wieder anspringen sollte und das Gesundheitsamt dazu übergehen muss, auch sonstige wichtige Aufgaben abzuarbeiten.

Seit dem Wochenende gilt die Vorgabe des Landes, dass alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Schlachtbetrieben oder Betrieben der fleischverarbeitenden Industrie getestet werden müssen. Das sind allein bei der Firma Böklunder, die gemeinsam mit uns die organisatorische Herausforderung umsetzt, rund 1.900 Tests.

Was brauchen die Bürgerinnen und Bürger des Kreises?

Antworten auf viele offene Fragen. Manches können selbst wir als Kreis nicht sofort befriedigend klären, weil wir einiges eher über die Printmedien erfahren als über die zuständigen Landesbehörden. Das ist manchmal durch die Dynamik des Geschehens erklärbar, manchmal aber ist es schlichtweg eine Frage des Kommunikationsstils. Die kommunale Ebene fühlt sich nicht immer ausreichend mitgenommen, soll aber verantwortlich handeln.

Die Komplexität des Gesamtzusammenhangs „Volksgesundheit vs. Wirtschaft“ eröffnet viele Perspektiven und Lösungsansätze. So ist Politik. Wenn sich jedoch alle auf einen gemeinsamen Weg geeinigt haben, sollte man ihn auch gehen und nicht frühzeitig verlassen. Das Thema „Tagestourismus“ ist dafür ein gutes Beispiel. Die Öffnung des Landes war ursprünglich für einen viel späteren Zeitpunkt zwischen allen Beteiligten geplant und abgestimmt gewesen. Die Planung ad hoc zu ändern macht es schwer, alle Aspekte und Fragen aus dem Stand beachten und klären zu können. Dass die Insel Sylt deshalb Sorge hat, ab 18. Mai überrannt zu werden und um ein Betretungsverbot bittet, ist nur eine Folge davon.

Ich habe mich mit unseren Ämter und Gemeinden und Städten darauf verständigt, dass Geschehen zunächst abzuwarten und vorerst von Betretungsverboten einzelner Tourismusorte oder beliebter Plätze abzusehen. Wenn alle Beteiligten besonnen und vernünftig agieren, werden wir hoffentlich keine neuen Infektionsketten auslösen.

Lässt sich schon etwas dazu sagen, wie sich Corona auf die Finanzen des Kreises auswirken wird?

Die Folgen werden ganz erheblich sein. Dabei geht es um wegbrechende Steuereinnahmen, aber auch um Ausfälle von Gebühren und Entgelten, während die Verbrauchskosten, beispielsweise durch Testungen und Hygienematerial, exorbitant steigen. Ohne einen finanziellen Rettungsschirm für die Kommunen in Schleswig-Holstein ist das nicht zu kompensieren.

Zuletzt die Frage, was macht Ihnen derzeit Hoffnung?

Die Motivation meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Im Gesundheitsamt wird 24/7 gearbeitet, am Bürgertelefon werden Fragen kompetent bearbeitet, die Zulassungsstellen arbeiten unter erschwerten Bedingungen und enormen Druck – das Frühjahrsgeschäft hat begonnen, und unsere Kunden nehmen nicht immer Rücksicht auf die hygienebedingten Einschränkungen. Alle wollen helfen und die Kolleginnen und Kollegen unterstützen, die Hilfsbereitschaft untereinander ist groß. Ich bin dankbar, so eine tolle Mannschaft leiten zu dürfen.

Zu Beginn der Corona-Krise gab es auch bei der Kommunalpolitik Änderungen. Alle Sitzungen mussten zu Beginn der Krise abgesagt werden. Ich möchte daher das neugefundene Zusammenspiel mit unseren politischen Vertreterinnen und Vertretern besonders hervorheben. Mittlerweile tauschen wir uns regelmäßig per Videokonferenz aus. Auch fraktionsinterne Abstimmungen werden im virtuellen Raum getroffen. Dafür haben wir Videokonferenz-Räume eingerichtet. Für einige Vorgänge braucht es aber auch Beschlüsse und so findet der Kreistag im Juni in der Sporthalle des Berufsbildungszentrums Schleswig statt, um die notwendigen Abstände wahren zu können. In dieser Krisenzeit hat sich gezeigt, dass Kreisverwaltung und Kreispolitik eng zusammenarbeiten und gemeinsam die Krise bewältigen wollen.

Ich danke auch den Ämtern, Städten und Gemeinden im Kreis, die direkt vor Ort mit den Bürgerinnen und Bürgern den Herausforderungen der Infektionseindämmung gegenüberstehen. Mein Dank gilt dabei auch den freiwilligen Helferinnen und Helfern in den Ortschaften, die Nachbarschafts- oder Einkaufshilfen für Menschen in Quarantäne organisiert haben.

Die Hilfsbereitschaft und das Miteinander sind bei all dem wieder stärker in den Fokus getreten. Es wäre zu hoffen, dass davon etwas beibehalten und gewahrt wird. Auch die gewonnenen Erkenntnisse zur Gestaltung von Arbeitsprozessen, Stichwort: Homeoffice, sollten genutzt und vertieft werden. Die Krise hat gezeigt, dass wir Sachen können, die wir uns vorher nicht zugetraut hätten! Wir müssen besonnen mutig bleiben, dann werden wir die Pandemie beherrschen können.


KREIS SCHLESWIG-FLENSBURG
Pressestelle
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